Von Gleichgültigkeit und Basilikum

War der Terminkalender gerade noch pumpvoll, so ist er jetzt gähnend leer. Habe ich bis vor Kurzem fast überbissen vor lauter Arbeit, stehen jetzt komplett leere und freie Tage vor mir. Waren die Tage gerade erst noch vollgestopft und viel zu kurz, sind sie nun plötzlich ewig lang und zäh. Ungewohnt. Was für ein Gegensatz! Als würde ein TGV in eine bummelige Zahnradbahn umgewandelt. Und irgendwie bin ich so gar nicht der Typ zum Nichtstun. Hatte ich das schon mal, zwei Wochen lang nichts machen? „Nichts“ ist nicht viel. Nein, das war wohl kaum schon mal. Nach den Geburten der Kinder war zwar auch Erholung angesagt, doch ich musste mich ja immerhin um ein kleines hilfloses Würmchen kümmern. Naja, dann ich übe ich mal. Eine OP zwingt mich dazu. Und nun übe ich mich in Gelassenheit und Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit gegenüber allem, was nicht erledigt ist. Was laut „hier“ schreit. Was nicht so ist, wie ich es gerne hätte. Nun fungiere ich höchstens vom Sofa aus als Koordinator, Drandenker und Fundbüro. Als Wichtelgeschenkausdenker, Hausaufgabenabfrager und zuverlässiger Erinnerungstimer, Schlagzeug zu üben. Gestern bin ich aus dem Krankenhaus entlassen worden. Was fällt mir auf zu Hause? Natürlich die Freude der Familie, dass ich wieder da bin. Die Fürsorge meiner Lieben. Die gewaschene Wäsche. Das gekochte Mittagessen. Doch dann, was entdeckt mein paracetamolgedopter Blick? Das Basilikum! Himmeltraurig lässt es seine Blätter hängen und verabschiedet sich wohl gerade aus unserem Speiseplan. Mein Mann meinte nur trocken: „Ich käme auch nie auf die Idee, eine Zimmerpflanze auf der Pizza zu verstreuen.“ Banause.

Nun könnte ich ja eigentlich tun, was ich schon lange wollte. All die Bücher lesen, die ich mir zurecht gelegt habe. Schreiben. Briefe beantworten. Fotos einkleben. Dumm nur, dass in meinem narkosevernebelten Hirn Konzentration noch weit unten auf der Prioritätenliste der Funktionen fungiert, die demnächst wieder hochgefahren werden. Da stehen erst noch Dinge wie „Funktionstätigkeit des Darms wieder aufnehmen“, „Ausbalancieren des Gleichgewichts“ und „Schlafen in der Nacht“ zuoberst. Selbst beim Tippen dieser Blogzeilen muss ich immer wieder korrigieren, weil meine Finger die Buchstaben in wildem Durcheinander ansteuern.

So liege ich halt hier rum und lasse es plätschern. Ich habe ja nun mal wenigstens den besinnlichen Advent, den sich alle immer wünschen. Besinnlich und mit wenig Terminen. Mal ganz ehrlich, wie oft hast du das den andern schon gewünscht? Naja, ich hab das jetzt. Wenn auch nicht ganz freiwillig.

War es nicht bei Josef und Maria auch so, dass sie eine gehörige Portion Gelassenheit und Gleichgültigkeit brauchten? Ganz bestimmt hätte Maria auch die eine oder andere Tätigkeit in Nazaret gewusst. Da blieb so Einiges liegen zu Hause. Das Basilikum war bestimmt auch nicht mehr, als sie zurückkehrten. Und im Stall in Betlehem hätte es bestimmt auch das eine oder andere zum Verbessern gegeben. Josef hätte bestimmt gerne eine schickere Wiege gezimmert. Und Maria hätte gerne zu Hause an einer Decke gestrickt für das Baby. Doch es war, wie es war. Punkt. Und sie arrangierten sich und machten das Beste daraus. Sie nahmen dankbar an, was sie erhielten. Und das versuche ich jetzt auch.

Übrigens: Natürlich habe ich gleich Sohnemann aufgetragen, sich den Pflanzen anzunehmen. Da waren nämlich noch weitere Spezien vom Aussterben bedroht. Nach dem er sie liebevoll zu neuem Leben erweckt hat, steht heute sogar das zur Zimmerpflanze degradierte Basilikum wieder. Doch wahrscheinlich findet es keine Vewendung bis ich wieder selber den Kochlöffel schwingen kann…



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