Was eine neue Brille mit dem Alter zu tun hat ODER Ich bin noch keine 40!

Eine neue Brille muss her. Die alte löst sich langsam aber sich auf. Sie hat ihren Dienst auch schon sieben Jahre tagtäglich getan. Also nix wie los und ab zum Optiker. Nichtsahnend lasse ich meine Augen vermessen, beleuchten von oben, unten, hinten und vorne (habe ich innen vergessen?). „Lesen Sie mir bitte die Buchstaben vor! Wie ist es so? Und so? Ist so noch besser? Und wenn diese Scheibe dazu kommt, ist es noch ein bisschen besser?“ Uff. Vor lauter Scheiben weiss ich bald nicht mehr was oben und was unten ist. Was scharf ist und was unscharf. Doch alles so weit so gut. Ich sehe immer noch gut. Das Sehvermögen habe sich nur ganz minim verschlechtert, lasse ich mir erklären. Na, ich habe auch nichts anderes erwartet. Schliesslich habe ich null Probleme, die Buchstaben in den Laptop zu hauen oder das Kleingedruckte in Verträgen zu lesen. Aber dann der Hammer (oder die Guillotine?): Zwischen 40 und 50 Jahren verschlechtere sich das Sehvermögen in die Nähe rapide. Deshalb würde sie mir eine Brille empfehlen, mit so Dingsbums-Glas mit unterschiedlichen Korrekturbereichen, lasse ich mir erklären. Also noch nicht gleich Gleitsicht, aber schon die Vorstufe davon. Aha. Ich bin aber noch keine 40, denke ich für mich. Der nächste Schlag folgt kurz darauf. Ich solle bitte beachten, dass es sinnvoll wäre, von nun an regelmässig die Augen beim Augenarzt überprüfen zu lassen. Das sei ab 40 Jahren sehr wichtig und sinnvoll. Aha. ABER ICH BIN NOCH KEINE 40. Und ich werde es auch nicht in diesem Jahr. Und nicht im nächsten. Sehr einfühlsam die Optikerin. Schmeisst mich einfach in den Topf der 40 bis 50-jährigen. Dabei bin ich NOCH KEINE 40!

Die Optikerin verweist mich an den Lehrling. Der soll mir ein passendes oder unpassendes Gestell aufschwätzen und die Gläserfrage klären. Erstmal erkläre ich ihm, dass ich diese Dingsbums-Gläser nicht brauche. Warum auch, wenn ich doch gut sehe? Was will ich denn mehr als gut sehen? Das könne ja dann immer noch in 7 Jahren bei der nächsten Brille in Betracht gezogen werden, verklickere ich dem Burschen. Und für mich denke ich: „ICH BIN JA SCLIESSLICH NOCH GAR KEINE 40. DIE MÜSSEN JA NICHT MEINEN.“ Und er denkt bestimmt: „Mist, Zusatzverkauf gescheitert.“

Bei den Gestellen kann ich wählen zwischen grässlich und scheusslich. Riesige Drahtgestelle sind gerade voll in. Ich habe die Wahl zwischen dicken farbigen (oder rabenschwarzen) Gestellen, die mich stark an die scheusslichen, verpönten Dinger aus den 80er Jahren erinnern, und den kugelrunden altmodischen goldenen Designer- (oder was weiss ich) brillen. Nichts Unscheinbares dabei. Sch… ich muss meine Komfortzone verlassen… werde die nächsten sieben Jahre nicht unsichtbar sein…

Ich wähle das kleinste Übel. Eine Brille mit einem halbdurchsichtigen weinroten Rand und einem sehr filigranen leichten Bügel. Viel grösser als die alte. Und sie fällt definitiv mehr auf. Doch wenn denn schon farbig, so bitte wenigstens eine Farbe, die ich mag. Ausserdem findet auch der Optiker-Jüngling, dass sich diese Brille am besten in mein Gesicht einfüge. Kunststück, bei diesen monsterhaften Ungetümen in seinen Regalen. Ich bin nicht wirklich überzeugt. Aber habe ich denn die Wahl? Ohne Brille geht es nicht. Also Augen zu und durch.

Zu Hause fallen alle kurz in Ohnmacht als ich nur ein bisschen übertrieben erkläre, dass ich eine knallrote Brille ausgesucht habe. Na, ich muss meine Lieben ja schliesslich gut vorbereiten auf die nächsten sieben Jahre. Trotzdem sind sie teilweise geschockt als ich mit dem neuen Hass-Liebe-Teil auftauche. Naja, man gewöhnt sich an alles… Mittlerweile gehört die Brille zum Alltag. Nur dass sich der dünne filigrane Bügel immer wieder verselbstständigt. Und das nennt der Optiker-Jüngling „super stabil“.

Letzthin erhielt ich sogar ein Kompliment für meine neue Brille: „Wow, du hast eine tolle neue Brille. Sie macht dich gleich jünger!“ Bumm. Gleiche Kerbe. „Bin ich denn schon so alt?“ denke ich. Gut, vielleicht sehe ich ja jetzt dank der Brille nicht mehr aus wie zwischen 40 und 50. Das hat ja immerhin schon was. Und eigentlich will ich nicht mal jünger aussehen. Einfach nur so, wie ich bin.

Kommentare

  1. Meine Güte, da bin ich wohl steinalt mit 46. ;-) Aber auch mit 40 lebt es sich gut und darüber hinaus auch. Und das sogar auch mit Brille. :-))

    Gruß Maike

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  2. so guet... das hätti chönni si :-) eifach vor baud 20 Jahr :-)
    Lucie

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