In der Schusslinie

Eine weitere Geschichte aus der himmlischen Einsatzzentrale.

„Joas, gleich sind wir da. Du weisst, was du zu tun hast. Und nicht vergessen: Keinen Zentimeter nachgeben!“ Tobias gibt seinem jungen Mitarbeiter letzte Anweisungen. Es eilt. Der Einsatz wird nicht leicht werden. Prüfend schaut Tobias Joas ins Gesicht. „Bist du bereit?“ „Ja, ich bin bereit!“

Sorgfältig prüfen die beiden, ob ihr Schutzpanzer gut sitzt. Alles passt. So betreten sie den Kampfplatz. Wortlos stellen sich die beiden zwischen die Fronten. Und schon fliegen ihnen giftige Pfeile um die Ohren. Da sind sie ja gerade noch rechtzeitig gekommen! Pfeile, die tief verletzen können, prallen an ihren Schutzpanzern ab. Worte, die das Potenzial haben zu zerstören, bleiben an den mutigen Bewahrern hängen. Die Geschosse erreichen die junge Frau nicht. Jeder Angriff wird von Joas und Tobias abgefangen. Die Frau hört zwar die Worte. Doch sie können sie nicht verletzen. Sie sieht die Pfeile. Aber sie können nicht in ihr Herz eindringen. Weil Tobias und Joas dazwischen stehen. Sie steht zwar traurig da. Doch ihr Herz wird nicht verletzt. Nicht mehr. Wie gut, dass sie nach Hilfe gerufen hat! Keiner der Pfeile kann ihr Herz erreichen.

Da taucht auch schon Grace auf. Sie trägt eine Schale. Zwei kleine Pflanzenspitzen ragen bereits aus der Erde. Vorschichtig trägt sie den kostbaren Schatz zu der jungen Frau und pflanzt ihn in ihr Herz. Da wird eine Blume heranwachsen. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Schönheit und Leben. Hoffnung.

Nun können sich Tobias und Joas auf den Heimweg machen. Die beiden sehen ziemlich mitgenommen aus. Sie streifen ihren Schutzpanzer ab. In ihm stecken Pfeile. Da sind Löcher. Schmutzige Stellen. Dreckige Worte. Joas kämpft mit sich. Er will stark sein. Doch der Job hat ihm sichtlich zugesetzt. Tobias legt den Arm die Schultern seines jüngeren Kollegen und sieht ihn verständnisvoll an. Da kann Joas seine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Wie können Menschen so verletzend sein?“ bricht es aus ihm heraus. „Diese Worte, so hart… so verletzend.“ Tobias sieht ihn ernst an. „Ja, das war wirklich heftig. Darum brauchte die junge Frau uns.“ Nachdenklich betrachtet Tobias die Sonne am Himmel. „Ich verstehe, dass dich das mitnimmt. Lass den Schmerz ruhig zu. Es ist keine Schwäche, Tränen zu zeigen. Im Gegenteil. Du kannst deinen Job nur tun, wenn du einen Weg findest, diese Einsätze, diese Emotionen zu verarbeiten. Komm, wir gehen in den Garten. Das wird dir helfen.“



Was es wohl mit diesem Garten auf sich hat? Warum führt Tobias Joas dorthin? Nächste Woche liest du hier den zweiten Teil der Geschichte... 

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