Wenn sich die Not der Welt in meinem Herzen niederlässt (Teil 1)

Was diese Welt an Not zu bieten hat, ist nicht zu knapp. Und ist nicht gerade der November dafür prädestiniert, all das Schwere zu kumulieren? Das Tageslicht wird ein rarer Artikel. Der lange, harte Winter naht. Und damit droht das Dunkle unser Herz einzuengen. Gedenkt wird am Ewigkeitssonntag den Verstorbenen und Trauernden. Weitere Feiertage stehen auf dem Kalender, denen aber in unserer Gegend nicht wirklich eine Bedeutung zugemessen wird. Je näher wir auf das Weihnachtsfest hinsteuern, desto lauter schreit unser Herz nach dem, was wir vermissen. Verstorbene Menschen. Nähe. Frieden. Gesundheit. Vielleicht auch ein leichtes Leben.

Nachdem sich die Natur im Herbst zu einem regelrechten Feuerwerk aufgebauscht hat, fällt alles in sich zusammen. Und unser Herz ist herausgefordert, den Modus zu wechseln. Von Licht, Leben und Vorwärtsdrängen hin zu still werden. Innehalten. Dunkles wahrnehmen. Ausharren und aushalten. Die Challenge auf Social Media unter dem Hashtag #bewusstnovembern lädt dazu ein, diesen Monat bewusst zu (er)leben und hinzuschauen, statt im Schnelldurchlauf durch diesen Zwischenmonat zwischen Herbst und dem Weihnachtsmonat zu brettern. Das fällt mir gar nicht so leicht. Sind meine Wochen doch einfach bumsvoll. Arbeit bis über die Ohren. Das Herz gefüllt mit Gedanken, Erlebnissen etc., die auf ihre Verarbeitung warten. Und doch merke ich, wie hilfreich dieses Innehalten ist. Das Thema bei dieser Challenge lautet diese Woche: himmelwärts schreien. Und ja, es gibt in der Tat so einiges, was zum Himmel schreit…

Dass sich die Not der ganzen Welt in meinem Herzen niederlässt, ist bei mir ein Dauerthema. Nicht nur im November. Ich gehöre zu den Menschen, die stark mit anderen mitschwingen und mitleiden. Da sammelt sich dann einiges in meinem Weltschmerz-Topf: Das Leid von Menschen, die in ihrer Verzweiflung den todbringenden Weg übers Meer wählen. Krieg. Machtausübung der Grossen dieser Welt. Die grausamen Abgründe, die sich auftun, wenn Mütter ihre Söhne in den Krieg ziehen lassen müssen. Brutalste Regime. Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Daneben Menschen, die gedankenlos ihr Leben leben, als wären sie die Einzigen auf dieser Erde. Und dann sind da auch die vielen ganz persönlichen Schicksale, mitten in meinem Umfeld. Ich könnte so viel aufzählen an Ungerechtigkeit, Leid und Not. Doch viel entscheidender als die Aufzählung ist die Frage: Was mache ich damit? Wie gehe ich damit um?

Ich schreie die Not nicht unbedingt zum Himmel. Jedenfalls nicht so richtiges Schreien. Ist nicht so mein Ding. Eher verstumme ich. Bin sprachlos ab all dieser Not. Weil es keine Worte gibt, die passen. Und doch braucht dieser empfundene Schmerz, manchmal auch Wut, ein Ventil. Dann schreie ich himmelwärts. Im übertragenen Sinn. Eher schreiben als schreien. Fülle mein Tagebuch. Breite meinen Schmerz vor Gott aus. Er hört zu. Oft ganz still. Weil er wohl auch keine Worte hat, die darauf gesagt werden können. Er hält mit mir aus. Da ist er gut darin. Und die Not erhält einen Platz. Der Schmerz wird gehört. Die Wut wird verstanden. Und die Trauer ist zu Hause.

Doch selbstkritisch wie ich bin, frage ich mich: Lässt mich die Not dieser Welt manchmal auch zu sehr verstummen? Alles nach innen austragen? Wann ist es vielleicht auch an der Zeit aufzustehen? Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen? Oder Schmerz lautstark hinaus zu schreien?

Diese Fragen nehme ich mit. Gerne würde ich jetzt noch ein paar Strategien anfügen, was helfen kann, damit sich die Not der Welt nicht zu sehr im eigenen Herzen festsetzt. Das ist schliesslich ein Thema, in dem ich voll zu Hause bin… Doch ich tue es nicht. Erst später, in einem zweiten Teil. Denn manchmal ist es einfach dran, den Schmerz über die Not dieser Welt, über Ungerechtigkeit und über persönliche Schicksale zu fühlen. Auszuhalten. Ihm einen Platz zu geben. Wut und Trauer zuzulassen. Und all die Emotionen Gott hinzuhalten. Manchmal ist es dran, himmelwärts zu schreien.


 

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