Von jungen und alten Müttern

Ich bin verwirrt. In der Presse steht, dass nun doch keine junge Mutter Bundesrätin wird. Neugierig, wie ich bin, habe ich ihren Jahrgang gegoogelt. Habe ich es doch geahnt: Zwei Jahre älter als ich. Die junge Mutter und junge Anwärterin auf den freiwerdenden Bundesratssitz. Aha. Warum ist sie jung, wenn ich alt bin? Ich bin uralt. Sonst frag mal unsere Teenager. Ich gehöre sogar noch zu denen, die ihre gesamte Jugendzeit ohne Handy verbracht haben. Unvorstellbar. Und zu denen, die im Winter auf dem Plumpsklo festgefroren sind und in einer kaufmännischen Ausbildung erstmal lernen mussten, mit welchem Knopf der Computer – eine tischfüllende Kiste – gestartet werden konnte. Wenn ich meinen Nachwuchs höre, so habe ich keine Ahnung von der heutigen Zeit und vom Leben überhaupt. Tatsächlich, wenn ich in unseren Hochzeitsfotos grabe, schwant mir, dass sie recht haben könnten. Das ist seeehr lange her. Und wenn mir dann auffällt, dass meine Mutter auf den Fotos nur wenige Jahre älter ist als ich heute, ehm… ja, dann bin ich wohl wirklich alt. Ich hatte nämlich damals das Gefühl, dass sie das auch ist. Kürzlich ist unsere Tochter 18 Jahre alte geworden. Noch so ein Beweis für mein Alter. Ich habe jetzt eine erwachsene Tochter. Krass. Dann muss ich also doch schon ganz schön in die Jahre gekommen sein. Zumindest was die Abnutzungserscheinungen angeht auf jeden Fall schon. Schliesslich geht es nicht spurlos an einem vorbei, zwei Kinder grosszuziehen…

Nun zurück zu dieser jungen Politikerin, die zwei Jahre älter ist als ich. Und angeblich zwei kleine Kinder hat, die so klein aber auch wieder nicht sind. Es mag sein, dass sie neben den meisten angegrauten Vertretern unserer Landesregierung schon so etwas wie ein Jungspund ist. Haben doch die meisten längst die Opa- und Oma-Sphären erreicht. Wie kommt es aber nun, dass die eine Frau um die 40 als jung bezeichnet wird, während die andere schon uralt ist? Da gibt es nur eine Antwort: Es ist eine Frage der Perspektive. Alter scheint keine absolute Grösse zu sein. Sondern individuelle Wahrnehmung. Wohl auch im Vergleich zur eigenen Lebenssituation. Und die kleine Episode zeigt mir einmal mehr: Es ist egal, wie alt du wahrgenommen wirst. Wie alt du dich fühlst. Ob du von heute oder von gestern bist. Entscheidend ist nur, dass du das, was du hast, lebst und füllst. Und die Möglichkeiten nutzt, die dir geschenkt sind. Egal, ob es viele oder wenige sind.

So geniesse ich die neuen Freiheiten, die sich mit grossen Kindern auftun. Keinen Moment möchte ich zurück. Ich bin glücklich darüber, früh Kinder bekommen zu haben. Es war eine gute Zeit. Doch jetzt geniesse ich es, aus dieser Kinder-Phase raus zu sein und so viele neue Möglichkeiten zu haben. Ich darf meinem Herzen folgen und mich in andere Menschen investieren. Menschen dabei unterstützen, ihren Lebensentwurf aktiv zu gestalten. Ich darf Menschen aufblühen sehen. Und dabei meine Begabungen einsetzen. Ich fühle mich nicht alt. Aber auch nicht jung. Ich fühle mich einfach grad so, wie ich bin. Und es ist gut so.


 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rückblick 2023

Zu Grenzen stehen

Stressabbau durch Winterzauber