Wie ein ausgebüxter Bienenscharm

Wer hier schon länger mitliest, kennt dies schon. Für alle Leser, die erstlich kürzlich hinzugestossen sind: Ich schreibe zwischendurch auch gerne mal banale Satiren. Ohne tieferen Sinn. Ohne weltbewegende Erkenntnis. Dafür mit ganz viel Ironie. Texte über irgendetwas, das mir im Alltag aufgefallen ist. Entweder habe ich mich darüber entsetzt oder mich amüsiert. Oder die Kombination von beidem. Ich mache mir dann einen Spass daraus, das dann so richtig auszuschmücken und mich hineinzusteigern (entsprechend liest du die Texte am besten mit etwas mehr Tempo und Dynamik 😉). Ich übertreibe vielleicht auch mal ein klitzekleines Bisschen. Aber wirklich nur ganz wenig. Ich finde, das Leben ist komplex genug, da fahren wir besser, wenn wir nicht alles tierisch ernst nehmen… Bist du ready? Dann kann's ja losgehen...


Wie ein ausgebüxter Bienenschwarm

Wieder einmal bin ich unterwegs in den Bergen. Ich liebe es, durch die Bergwelt zu wandern. Die Ruhe zu geniessen. Die Aussicht zu bestaunen. Und die Farben und Stimmungen aufzusaugen. Hier auf diesem schmalen Pfad gefällt es mir besonders gut. Schade, bin ich schon fast am Ziel. Nach der nächsten Biegung sehe ich schon zur Bergstation, von der meine Fahrt wieder ins Tal hinunter geht.

So sauge ich nochmal alle Eindrücke auf und geniesse. Doch was surrt denn da über meinem Kopf wie ein ausgebüxter Bienenschwarm? Und durchdringt laut surrend die Stille der Bergwelt? Oh, ich kenne diesen Ton. Ich hasse diesen Ton. Und ich werde schon ganz aggressiv: Eine Drohne schwirrt über mich hinweg. Nirgends ist man mehr sicher vor dieser unleidigen technischen Neuerrungenschaft. Selbst zu Hause im eigenen Garten wird man beobachtet. Beim Baden. Beim Giessen. Beim Geniessen. Beim Streiten. Beim Lachen. Was wohl mit all diesen Film- und Fotoaufnahmen geschieht? Von Sula und Familie in allen Lebenslagen. Ist man denn nirgends mehr für sich? Unbeobachtet und alleine? Ich habe mir schon zig Strategien überlegt. Den Wasserschlauch bereitgelegt. Über die Legalität nachgedacht, mit dem Flobert darauf zu schiessen. Oder Störsender zu bauen, um das Vehikel über dem Privatgrundstück zum Absturz zu bringen. Dieses Surren, wenn ich zum Haus heraustrete, macht mich wahnsinnig. Kirrekirre. Adrenalin schiesst ein. Und ich bin zu allen Taten bereit. Auch wenn sie bisher nur im Kopf stattfinden.

Nun also auch hier in der Bergwelt. Ich bin entsetzt. Nicht das erste Mal ist es, dass mir diese neugierigen, beobachtenden Ufos die Laune vermiesen. Ich biege um die Ecke und nähere mich der Bergstation. Und was sehe ich da. Eine menschliche Gestalt kauert mit einem Ungetüm von einem Apparat auf der Nase im Gras. Unweit von der Gondelbahn. Diese wenigen Meter hat er wohl ganz knapp geschafft. In der Hand das Steuergerät des Flugobjekts. Der Apparat auf der Nase entpuppt sich als eine Art Brille. Da laufen all die Filme ab. Zum Beispiel wie ich den Berg hochhechle. Schweissdurchnässt und… naja, du weisst schon. Wie der Wanderer weiter drüben den Berg hinunter pisst. Oder den Redeschwall der Wanderin bei der Ruhebank dort drüben. Ich fasse es kaum. Ob dies wohl die Wanderart dieser daumengesteuerten Generation ist? Mit der Gondelbahn hoch, gleich daneben ins Gras plättern und Fernseh schauen. Und so die Wanderung erleben. Ach wie praktisch, du brauchst dich nicht mal mehr zu bewegen. Und kannst trotzdem alles erleben.

Das BfU wird sich freuen. Die Wanderunfälle nehmen drastisch ab. Ausser du stürzt mit dieser Brille auf der Nase dummerweise den Felsen hinab. Oder die Drohne fällt dir auf den Kopf. Oder sie wird abgeschossen und explodiert. Die Schuhbranche hingegen wird massiv leiden. Der Verkauf an Bergschuhen bricht ein. Arbeitsplätze gehen verloren. Lederproduzenten darben. Firmen gehen Konkurs. Dies zieht Kreise. Selbst die Jäger haben Mühe, gutes Schuhwerk zu finden, weil ja die Produktion überall eingestellt wird. Halt, nein, die Jäger brauchen ja auch keine guten Schuhe mehr. Denn sie können das Wild mit der Drohne abschiessen. Ganz bequem vom Auto aus. So nah konnten sie noch nie an ihre Opfer ran. Ob es wohl auch Drohnen gibt, die Pilze einsammeln können? Ach ja, und dann gibt es da noch die vielen freiwilligen Helfer der Schweizer Wanderwege. Die brauchen dann natürlich auch keine Wege mehr zu erhalten. Stattdessen werden sie eingesetzt, um abgestürzte Drohenteile im unwegsamen Gelände einzusammeln. Gefährliche Akkus in Sicherheit zu bringen. Und so die Wildtiere vor der dieser Gefahr zu bewahren. Die Vogelwelt wird natürlich durch diese neuen Flieger genau auf ihrer Flughöhe auch massiv gestört. Ob sie sich entsprechend anpassen werden? Seit Jahrmillionen von Jahren haben sich die Tiere schliesslich flexibel angepasst und weiterentwickelt. Ob sie also nun einfach höher fliegen? Ich weiss nicht recht, zur Nahrung müssen sie ja doch herunterkommen. Also würden sie vielleicht eher Schallwellen entwickeln, welche die lebensfeindlichen Flugobjekte zum Absturz bringen?

Ganz ehrlich: Stell dir mal vor, das greift weiter um sich. Und wird ein richtiger Hype. Die Berge sind voll von surrenden Flugobjekten. Und hinter der Brille verschanzter Berggamer. Das wird schrecklich. Unerträglich. Und tatsächlich ein massiver Eingriff in die Natur.

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass dieses technische Wunder eine gewisse Faszination auf Technikfreaks ausübt. Doch die Wanderung nur ab Film zu erleben – ich check es nicht. Dann kannst du auch zu Hause auf dem Sofa den TV einschalten und Hüttengeschichten schauen. Oder Slow-TV mit Alpenbildern. Ein bisschen Panflöten-Gedudel dazu inklusive. In unserem Zeitalter wird ja sowieso schon alles und jedes mit der Handykamera festgehalten. Wenig wird mehr durch das Auge bestaunt. Immer ist da diese Linse dazwischen. Und das Auge nimmt vielmehr das Bild auf dem Display wahr statt direkt live. Warum, warum nur muss sich dieses Phänomen nun ausweiten, dass alles und jedes, jeder Event und jede Party, jede Landschaft und jedes Erlebnis auch noch von oben und neben und fliegend und surrend festgehalten werden muss? Vielleicht bin ich einfach zu alt dafür? Jedenfalls führt meine nächste Wanderung wieder auf einen einsamen Berg, auf dem ich niemanden antreffe. Und hoffentlich auch nicht einen ausgebüxten Bienenschwarm.


 

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