"Wir sind komisch" oder "Wer ist denn hier schon normal?"

Wenn Kinder klein sind, ist ihre Welt meistens in Ordnung. Ausser die Schwester oder der Bruder klaut gerade den Lieblingsbären oder bekommt ein Gummibärchen mehr. Sie sind einfach sich selber und es ist okay so. Doch Kinder werden grösser. Sie sind ihrer Umwelt und verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Sie reifen, auch in ihrer Wahrnehmung. Und irgendwann – wann fängt das eigentlich an? – beginnen sie zu vergleichen. Und ist ihre Welt bis anhin noch in Ordnung gewesen, gerät diese plötzlich in Schieflage. Sie merken: Ich bin anders als die andern. Und wenn sie wirklich anders sind als die andern – und das sind sie doch hoffentlich auch – so finden sie eines Tages: „Ich bin komisch.“

So geschehen auch bei uns. „Ich bin komisch“, hiess es am Familientisch. Okay. Abstreiten bringt nichts. „Du bist anders“, so mein Versuch. „Und ich bin auch anders. Und der Papa erst recht. Der ist ganz ein komischer. Weisst du noch als er…?“ Und wir versuchten ins Gespräch zu kommen, wie wir alle anders sind. Wir diskutierten, wer denn eigentlich normal ist. Und wer bestimmt, wer normal ist. Vielleicht sind ja wir ganz normal und die andern komisch. Wieso sollte es denn nicht ganz normal sein, gedankenversunken in Traumwelten zu schwelgen, ständig irgendwelche Details zu analysieren, stundenlang zu schreiben oder lieber Skateboard zu fahren als coole Kleider zu shoppen? Bei uns ist das jedenfalls normal.

Seither kommen wir immer wieder bei diesem Thema an: Wer ist normal? Was ist normal? Müssen wir normal sein? Wer hat das Recht, darüber zu bestimmen, wer hier normal ist? Manchmal diskutieren wir ernsthaft. Mal witzeln wir nur darüber. Manchmal lachen wir über die Erkenntnis, dass so viele andere auch nicht normal sind. Und ich hoffe, es gibt noch Dutzende dieser Diskussionen am Familientisch.

Es schmerzt so sehr, wenn die eigenen Kinder – die ich mit ihren Eigenschaften von Geburt an über alles Liebe - unter ihrer Andersartigkeit leiden. Wenn sie sich vergleichen und das Gefühl bekommen, schlecht abzuschneiden. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass unsere Kinder lernen und begreifen: „Ich bin anders. Und ich bin gut so.“ Dass sie trotz ihren Herausforderungen und gerade in ihrer Andersartigkeit wissen, dass sie damit einen Schatz geschenkt bekommen haben. Einen Schatz, der nicht normal ist. Sondern anders und einzigartig. Ich wünsche mir für sie, dass sie nicht ständig vergleichen, sich nicht verbiegen, sondern den Mut haben, komisch zu sein. Und dass sie tief im Herzen wissen, dass sie geliebt sind, genauso wie sie sind. Von Gott und auch von uns.

Und wenn ich es mir genau überlege, wünsche ich mir das auch für mich. Denn manchmal leide auch ich an meiner Andersartigkeit. Und gleichzeitig weiss ich, genau das macht mich einzigartig. Ich bin nicht normal. Und du auch nicht. Ich bin anders. Und du ganz bestimmt auch.

 
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Kommentare

  1. oh, das kenn ich nur zu gut.
    Ich war als Kind auch immer anders. Komisch und seltsam und außerdem rothaarig. (letzteres wurde schrecklich oft gegen mich verwendet, wobei ich dafür doch am wenigsten konnte)
    Irgendwann hat der Högschde mir die Vorteile von all dem gezeigt, womit er mich aus der Masse gehoben hat.
    vielleicht hilft es den Kindern zu sagen, dass jeder der Schulkameraden nur aus seinen eigenen Augen schaut und deshalb auch nur sieht, was für ihn/sie selbst von Belang ist? Gott aber sieht das Herz an.

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