Advent - Hoffnung mitten in Unvollkommenheit

Diese Woche vor dem 2. Advent habe ich mir anders vorgestellt. Mit Raum für mich und Elan für den Job. Vielleicht sogar etwas Adventsstimmung. Jedenfalls nicht mit durchhusteten Nächten, schmerzenden Gliedern und einem Radius vom Bett bis zum Bürotisch. Doch ich wurde nicht gefragt, ob mir das passt. Es war dann einfach so.

Daneben viel gravierender: Mariam hat sich von dieser Adventszeit auch etwas anderes erhofft. Eigentlich möchte sie nichts als sich in Sicherheit mit ihrer Familie wissen und das Weihnachtsfest feiern. Ihre Wünsche sind bescheiden: Etwas zu essen auf dem Tisch. Rausgehen ohne Angst. Ihren Glauben leben dürfen. Doch es ist alles anders gekommen. Nun ist sie mit ihrer kleinen Familie auf der Flucht vor den syrischen Rebellen. Ihr Zuhause in Aleppo haben sie zurückgelassen, ohne Hoffnung auf eine Rückkehr. Als Christen ist ihr Leben in Gefahr und so machen sie sich auf die Reise. Doch wohin? Wo gibt es für sie einen sicheren Unterschlupf? Angst und Verzweiflung prägen ihre Adventszeit.

Mehr als 2000 Jahre zurück: Maria. Hochschwanger. Sie hat keinen einfachen Weg hinter sich. Eine Engelsbegegnung. Unverheiratet schwanger. Eine überstürzte Eheschliessung. Aufwühlende Gedanken. Eine unsichere politische Lage. Eigentlich möchte Maria nichts anderes als in aller Ruhe und an einem sicheren Ort gebären. Doch es kommt anders: Eine Volkszählung wird ausgerufen. Und Josef und Maria müssen ausgerechnet jetzt in dieses Hirtenkaff Betlehem. Ein weiter und beschwerlicher Weg. Nichts für eine Hochschwangere. Nichts von gemütlicher Vorbereitung auf die Geburt. Nichts von einem sicheren Ort. Ein Stall wird schlussendlich der einzige Schutz sein. Und Josef als Hebamme.

All dies ist Advent. Ich habe keine Ahnung, woher die Vorstellung einer harmonischen Adventszeit kommt, in der wir plötzlich doppelt so viel Ruhe haben sollen, gemütlich auf eine Kerzenflamme starren, die Bäuche mit Weihnachtsguetzli vollschlagen und das Leben geniessen. Die Ankunft von Jesus war hochdramatisch. Mitten in eine notvolle Zeit. In Turbulenzen. Angst und Ungewissheit. Genau da hinein wurde Jesus geboren. Als König. Als Friedensbringer (ein toller Text zu diesem Thema bei ohletsflourish). Als Retter der Welt.

So ist es bis heute geblieben: Die Adventszeit ist nicht die perfekte Zeit des Jahres. Das ist schön, wenn wir dies so erleben. Doch die Realität ist oft eine andere. Die Adventszeit ist vielmehr eine Zeit, in der wir daran erinnert werden, dass Jesus uns mitten in unserem unperfekten, oft auch beschwerlichen Alltag begegnet. Dass er gekommen ist, um unseren Herzen Frieden zu schenken. Die Angst in Schranken zu weisen. Und um eine Perspektive zu schaffen, die weit über dieses irdische Leben hinausgeht.

Wenn es bei dir also gerade nicht so läuft, dann denk daran: Die Adventszeit ist genau für dich! Da gehört die Not mit rein. Überforderung und Tränen dürfen sein. Wie die Hirten darfst du damit zur Krippe gehen. Und dein Herz von seinem Licht erwärmen lassen. Hoffnung schöpfen. Aufatmen.

Und so wird es für alle Weihnachten. In jeder Situation. In diesem Sinne wünsche ich dir eine hoffnungsvolle zweite Adventswoche.

 


 

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